Das deutsche Beschäftigungswunder aus der Nähe betrachtet

Die Zeitungsbranche wundert sich über den mangelnden Absatz ihrer Erzeugnisse. Dabei ist es kaum verwunderlich, daß der häufig fehlende kritische Journalismus auch dem durchschnittlichen Zeitungsleser nicht entgeht. So sind Politiker und Journalisten voll des Lobs für das deutsche Beschäftigungswunder, daß Vorbild für alle Krisenstaaten sein soll. Doch handelt es sich bei diesem sogenannten Beschäftigungswunder wirklich um Arbeitsplätze, mit denen die Arbeitnehmer ihren Lebensunterhalt selber bestreiten können? Fakt ist, daß die abhängigen Arbeitsverhältnisse in den letzten Jahren immer wieder neue Höhen erklommen haben, was in der Politik und der Presse regelmäßig zu neuen Jubelmeldungen geführt hat.


Für eine detaillierte Auswertung dieser Arbeitsmarktaussagen muß man sich jedoch die Mühe machen und die wichtigsten Eckzahlen aus den Statistiken der Agentur für Arbeit herausklamüsern. Dann gelangt man zu folgenden Anteilen der Beschäftigungsverhältnisse am deutschen Arbeitsmarkt:

  • 14% Minijobs, geringfügige Beschäftigung: Insg.: 4,8 Mio. (Stand: 2012)
  • 8 % Minijobs, geringfügige Beschäftigung im Nebenjob: Insg.: 2,6 Mio. (Stand: 2012)
  • 21,7% in Teilzeit beschäftigte Arbeitnehmer (Stand: 2010)
  • 14,7% befristete Arbeitsverhältnisse (Stand: 2010)
  • 2,8% Zeitarbeit: Insg.: 0,8 Mio. Verträge (Stand: 2011)


Von diesen Arbeitsverhältnissen sind daher rund 53% der Arbeitnehmer betroffen. Wenn man die Nebenjobs miteinbezieht, fällt der Anteil bei allen Arbeitsverhältnissen sogar noch höher aus. Zu dieser Auflistung kommen noch Praktikas der Berufsanfänger, Leiharbeit bzw. Personalüberlassung, die oben nicht erfaßt ist (z.B. unter dem Deckmantel von Beratung oder als Ingenieurbüro) sowie Aufstocker hinzu. Nichtberücksichtigt sind zudem Scheinselbständige und Selbstständige, die wegen ihres zu geringen Einkommens aufstocken müssen. Auch wenn es bei der Aufzählung zu Überschneidungen kommen kann, ist von einem Beschäftigungswunder weit und breit nichts zu sehen, da diese Arbeitsverhältnisse in erster Linie durch eine schlechte Bezahlung und eine staatliche Subventionierung durch die sogenannte Aufstockung erkauft werden. Wenn in etwa jeder zweite Arbeitsplatz zu den oben genannten gehört, dann gehört auch der Fachkräftemangel in das Reich der Fabeln und modernen Märchen. Trotzdem werden diese Zahlen in der Presse als ein großer Erfolg verkauft. Hinterfragt werden sie jedoch meistens nicht. Wer wundert sich bei einer so unkritischen Berichterstattung noch darüber, daß die Auflagen der Zeitungen und Zeitschriften immer weiter absinken? Die verantwortlichen Politiker sollten sich endlich ihrer Verantwortung bewußt werden und wieder zu einer sozialen Marktwirtschaft zurückkehren.


Quellen:

  • http://doku.iab.de/bibliothek/2012/334_HBA2013/2012_334_Bibliothek_HBA2013_Datenanhang.pdf
  • http://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik-nach-Themen/Beschaeftigung/Beschaeftigung-Nav.html
  • statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/Aktuell/iiia6/aueg-aueg-zr/aueg-zr-d-0-xls.xls